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Die Wiedergeburt des Badezimmers
Ein Gastbeitrag von Oona Horx-Strathern | Trend- und Zukunftsforscherin in Wien
Die Evolution des Badezimmers ist das Ergebnis einer Erfolgsgeschichte des Designs. Aber auch der Kraft der Megatrends. Unsere Wohnungen sind beides: Ausdruck soziokultureller Veränderungen und Manifest unserer besonderen Identitäten, Bedürfnisse und Ansprüche.
Zweifelsohne ist das Badezimmer jener Raum, der sich am meisten in diesen Kräften verändert und entwickelt hat. In den letzten Jahrzehnten verwandelte sich das Bad von einem eher sterilen und vernachlässigten Funktionsraum zu einem Gestaltungsraum unseres Wohlergehens, unserer „Selfness".
Mehr Individualität im Badezimmer
Badezimmer sind heute Räume, in denen wir weitaus mehr Zeit verbringen. Multifunktionell, multitalentiert und nun auch multigenerational – Badezimmer haben inzwischen viele unterschiedliche Rollen zu erfüllen. Die Treiber hinter diesem Wandel sind Trends wie die Megatrends Gesundheit, „Silver Society" und Individualisierung.
Heute spielt das Badezimmer eine zentrale Rolle nicht nur für unsere körperliche, sondern auch für unsere mentale Gesundheit. Stand es einst nur für die funktionale Reinigung, bietet es heute auch einen entspannenden Willkommensraum, in dem wir nicht nur Sauberkeit erstreben, sondern auch „Cocooning" betreiben – Komfort, Ruhe und Vitalität suchen.
„Home" – das Haus oder die Wohnung – ist heute mehr als ein Schutz. Es ist das Zentrum unserer Gravitation. Unsere persönlichen Räume, die Objekte und Möbel, die wir in unserem Leben willkommen heißen, reden Bände über uns – nicht nur über unseren State of Mind, sondern auch über das Leben, das wir in der Zukunft führen wollen. „Home" ist der Ort, an dem wir unsere Individualität ausdrücken wollen, wo wir uns daran erinnern, wer wir sind.
Individualität meint, dass wir uns und diese Bedürfnisse ausdrücken können, und zwar durch unsere Design-Entscheidungen. In diesem Zeitalter der Design-Demokratie wird gute Gestaltung nicht mehr als elitär oder exklusiv gesehen, sondern als eine Basis menschlicher Notwendigkeiten.
Welche Anforderungen soll das Bad zukünftig erfüllen?
Einer der größten sozialen Wandlungsprozesse ist die „Ageing Society” – die Tatsache, dass wir länger leben als jemals zuvor. Was wir den Megatrend „Silver Society” nennen, zeigt, dass wir einen „Downageing”-Prozess durchlaufen, während sich unsere Lebensspanne erweitert – um länger jung zu bleiben.
Die Erwartungen und Bedürfnisse der Babyboomer – der Generation, die in den 60er- und 70er-Jahren aufwuchs – handeln von Freiheit, Individualität und Unabhängigkeit. Dies ist die Generation, die nun die Entscheidungen und Herausforderungen des Alters erlebt. Und dabei umso mehr unabhängig bleiben möchte.
Sie hat ein scharfes Auge für gutes Design und erfreut sich an Lebensqualität im Sinne von Gesundheit und Wohlstand, von denen ihre Eltern und Großeltern nur träumen konnten. Wenn Badezimmer eine Schlüsselrolle als Ort für das Investment in diese Werte spielen sollen, dann müssen sie eher für eine Lebenszeit als für einen Lebensabschnitt gestaltet sein.
Wir sehen diese neuen Bedürfnisse auch im Trend zu offeneren, farbigeren, wärmeren Badezimmern, die an Salons, Boudoirs oder sogar zweite Wohnzimmer erinnern können. Das Badezimmer ist ein Ort, an dem wir uns nicht nur in jedem Alter frei bewegen können, sondern uns in jeder Lebensphase ausdrücken wollen.
In einer Welt, in der Gesundheit der neue Wohlstand ist, spielt das Bad eine Schlüsselrolle. Wir investieren nicht nur in ein „Badezimmer”, sondern in lange Lebensqualität.
DIE AUTORIN
OONA HORX-STRATHERN
Oona Horx-Strathern ist Trendexpertin für zukünftige Wohn- und Lebensformen unserer Gesellschaft. Die Humangeografin (Bristol University) verfügt über 25 Jahre Erfahrung im Trend- und Beratungsgeschäft und publiziert seit 2019 den jährlich erscheinenden HOME REPORT des Zukunftsinstituts. Der Report beleuchtet die wichtigsten Entwicklungen für das Wohnen der Zukunft sowie für die Bau- und Architekturbranche. Als Testimonial lebt sie im „Future Evolution House“ am Stadtrand von Wien, das sie mitentworfen und -gebaut hat. (Foto: Klaus Vyhnalek)
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